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Theorien zur Ursache des Irlen Syndroms
(Zusammenfassung nach G.L.Robinson
1998) |
Zur effektiven Behandlung
und zur Früherkennung ist ein besseres Verständnis der kausalen Zusammenhänge
wichtig. Eine ganze Reihe wissenschaftlicher Untersuchungungen sind hierzu
in den letzten Jahren durchgeführt worden, die im folgenden kurz dargestellt
werden:
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The Magnocellular/Central
Processing Deficit Theory Etliche wissenschaftliche Untersuchungen haben
sich seit Beginn der 80er Jahre mit dieser Theorie befasst und unterstützende
Ergebnisse erbracht. Z.B. Livingston et al.(1991, 1994), Lehmkuhle, Garzia,
Turner, Hash und Baro(1993), Barbolini, Migaldi, Wright, Irlen(1996) erbrachten
in ihren Untersuchungen den Nachweis, dass Irlen Filter zu Veränderungen
der evozierten Potentiale (evoked potentials) führen. In Zusammenhang
mit dem Nachweis magnocellularer Abnormalitäten in den Gehirnen von Dyslexikern
deuten diese Ergebnisse auf einen neurologischen Ursprung der visuellen
Störungen hin, die beim Irlen Syndrom beschrieben werden.
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Die
Untersuchungsergebnisse zu den visuell evozierten Potentialen können ausserdem
auf eine Interaktion zwischen den neuronalen Bahnen des visuellen Systems
(visual neural pathways) und der zentralen Verarbeitung hinweisen. Hypothetisch
könnte eine retinale Sensitivität und/oder Veränderungen in den magnocellulären
Bahnen dazu führen, dass verworrene Signale vom visuellen Cortex empfangen
werden. The Retinal Sensitivity Theory Helen Irlens ursprüngliche Theorie
einer Überempfindlichkeit gegenüber bestimmten Frequenzen des Lichtspektrums
wird ebenfalls durch verschiedene wissenschaftliche Untersuchungen gestützt
(z.B. Jordan 1972, Meares 1980, Legein & Bouma 1982, Grosser & Spafford
1989,1990, Lewine 1997, Barbolini, Caffo, Robinson & Wright 1998).
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Einige Hypothesen
vermuten, dass Farbfilter einen anormalen Input der Retina Zapfen minimieren
oder ganz abstellen und so verhindern, dass die von Irlen beschriebenen
visuellen Störungen auf neuraler Ebene empfangen werden. Barbolini stellt
ausserdem die Hypothese auf, dass Lichtsensitivität in Verbindung mit anderen
pathologischen Bedingungen Ursache verschiedener Schweregrade von Zapfenfehlfunktionen
sein könnten. Danach führte die Fehlfunktion eines Zapfensatzes zu Lichtempfindlichkeit,
bei Fehlfunktion zweier Zapfensätze könnte die Lichtempfindlichkeit assoziiert
werden mit einer anderen pathologischen Kondition (z.B. Migräne), Fehlfunktion
aller drei Sätze führte zu Farbenblindheit. Nach dieser Hypothese modifizieren
Irlen Filter das sichtbare Licht so, dass die funktionsfähigen Zapfen effektiv
arbeiten können und die geschädigten unterdrückt werden. |
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Patienten mit
Farbenblindheit und Migräne benötigen eine viel höhere Sättigung (saturation
level) um zu verhindern, dass ein Übermass an Licht die Zapfen erreicht.
Er vermutet ausserdem, dass das Tragen von Farbfiltern über eine ausreichenden
Zeitraum hinweg zu einer Erhöhung des Blutdurchflusses im Auge führt und
so möglicherweise ein Teil der Funktionsfähigkeit wieder hergestellt werden
könnte. |
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The Biochemical Anomalies Theory
Eine Anzahl von Studien
beschäftigen sich mit dem Zusammenhang zwischen essentiellen Fettsäuren
und visuellen Problemen bei Dyslexie ( z.B. Stordy 1995, Makrides, Neumann,
Summer & Gibson 1995; Stevens, Zentall, Abate, Kuczek & Burgess 1996).
Es wird vermutet, dass
Störungen des Metabolismus ein Ursachenfaktor des Irlen Syndroms sein
könnte.
Bisher ist lediglich
bekannt, dass bei Patienten mit Symptomen von Irlen Syndrom biochemische
Anomalien vorliegen, die auch in Subgruppen von Dyslexie, ADHD, Dyspraxie,
Autismus und CNS (Chronic Fatigue Syndrome) gefunden werden. Die Forschung
nach den Ursachen und Kausalzusammenhängen verschiedener Störungsbilder
macht deutlich, dass die heutigen diagnostischen Kriterien nicht spezifisch
genug sind. Es ist wahrscheinlich, dass mit einem besseren Verständnis
der Ursachen und Kausalzusammenhänge, jede der Kategorien in Untergruppen
oder sogar separate diagnostische Einheiten unterteilt werden wird, denen
einige Symptome zugeordnet werden.
Ähnliche Symptome könnten
dann zu neuen diagnostischen Einheiten zusammengefasst werden. Aktuell
schlägt Perry folgende Einteilung vor:
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Mulit Stimuli Disorganisation
Syndrome
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Die
Feststellung biochemischer Anomalien bei Patienten mit Irlen Syndrom kann
zu einem besseren Verständnis der Kausalzusammenhänge führen. In erster
Linie wird dadurch aber die interaktive Komplexität der Ursachen deutlich.
Die Symptome visueller Störungen könnten eine Konsequenz biochemischer
Anormalitäten und/oder neuraler Fehlfunktionen in einem reziproken Ursachenzyklus
sein. Neurale Fehlfunktion - resultierend in einer Verhaltensänderung
- können Blutdurchfluss und Chemie des Gehirns beeinflussen, was wiederum
neurale Funktionen und Verhalten beeinflusst. Offensichtlich steht die
wissenschaftliche Forschung gerade erst am Beginn, diese komplexen Zusammenhänge
zu verstehen.
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